the european biennial of contemporary art
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FRANZENSFESTE/FORTEZZA

ADAM BUDAK, ANSELM FRANKE/HILA PELEG, RAQS MEDIA COLLECTIVE: "SCENARIOS"

FORTE ASBURGICO, EISACKTAL FRANZENSFESTE/FORTEZZA, ITALIEN

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Die ehemalige Habsburger-Festung Franzensfeste liegt zwischen Bozen und dem Brenner auf einer der wichtigsten Verkehrsverbindungen Europas und ist einer der vier Manifesta-Standorte in der Region Trentino-Südtirol. Das Verteidigungsbollwerk wurde als späte Reaktion auf die napoleonischen Kriege unter Franz I geplant und 1838 von dessen Nachfolger Kaiser Ferdinand I dem österreichischen Militär übergeben. Franzensfeste sollte den Übergang zwischen den nord- und südeuropäischen Provinzen des Habsburgerreiches sichern. Grundlage für den Bau der Anlage waren militärische Bedrohungsszenarien, die in den folgenden Jahrzehnten zu einem großen Teil nicht eintrafen. Auch deshalb verlor die Festung schnell an Bedeutung. Kampfhandlungen fanden dort keine statt. Diese Befestigungsanlage und deren Geschichte bilden die Basis für den künstlerischen Kontext in dem die Ausstellung von Manifesta 7 steht.
Das Ausstellungsprojekt trägt den Titel Scenarios und will die außergewöhnliche Kulisse Franzensfeste in einen Schriftraum mit Sprachaufnahmen, Text, Licht und Landschaft verwandeln. Scenarios soll unsere Vorstellung über die Art und Weise, wie imaginäre Szenarien als „Ein-Bildungen“ unser Verständnis von Vergangenheit und Zukunft, Tatsachen und Möglichkeiten formen, verändern. Diese „immaterielle“ Ausstellung bemüht sich darum, ihren Standort in die Phantasie des hörenden Besuchers zu verlagern. Schriftstellerinnen und Schriftsteller aus aller Welt liefern Texte für Scenarios, die eigens für diesen Kontext verfasst wurden. Diese Schriften reflektieren den Prozess der Entwicklung von Szenarien und damit des Vorstellungsvermögens selbst. Als Sprachaufnahmen und Soundarrangements sind die Texte individuell in den monoton aufeinander folgenden Innenräumen der Festung eingerichtet – in einem architektonischen Umfeld also, das von der Abwesenheit der historischen Nutzer und jener Szenarien geprägt ist, zu deren Bestandteilen auch die Festung und deren Besatzung einmal gehört haben.
Scenarios ist eine kritische Reflexion über jene Rolle, die Szenarien in unserer Gesellschaft und in der individuellen oder kollektiven Vorstellung spielen. Heute sind wir, wenn auch häufig unbewusst oder unfreiwillig, Teil bereits projizierter „Szenarien“, die uns geformt haben, die unser Sein vorweg prägen, die Alltagssituationen und alltägliche Erfahrungen bestimmen. Das Projekt will zum Nachdenken darüber anregen, wie wir Szenarien und Geschichten vervollständigen, in dem wir zu deren Bestandteil werden. Als Ausstellungsprojekt zeigt Scenarios deshalb keine (oder wenig) Bilder, sondern stellt vielmehr jene Bilder in Frage, die wir bereits in uns tragen, die uns auferlegt wurden oder die kreative Phantasie auslöst. Damit soll ausdrücklich mit der Ordnung des Augenscheinlichen und mit der damit verknüpften Produktion (materieller) Zeugnisse als Tatsachen gebrochen werden.
Adam Budak, Anselm Franke/Hila Peleg, Raqs Media Collective
SCENARIOS
Dramaturgy by Ant Hampton, Audio Design by Hannes Hoelzl, Furniture Design by Martino Gamper
CONTRIBUTORS
Shahid Amin, Hélène Binet, Brave New Alps, Adriana Cavarero, Mladen Dolar, Harun Farocki, Karø Goldt, Larry Gottheim, Renée Green, Timo Kahlen, Karl Kels, Thomas Meinecke, Glen Neath, Margareth Obexer, Philippe Rahm, Arundhati Roy, Saskia Sassen, Michael Snow, Saadi Yousef


BOZEN/BOLZANO

RAQS MEDIA COLLECTIVE: "THE REST OF NOW"

EX ALUMIX, VOLTASTRASSE 11, I-39100 BOZEN/BOLZANO, ITALIEN

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„Die Verwertung jedes Materials, Orts, Dings oder jeder Person schließt einen Veredelungsprozess mit ein. Während dieses Wertentzugs wird das betreffende Objekt einer Umformung unterzogen, in deren Verlauf mindestens zwei Substanzen voneinander getrennt werden: das extrahierte Material und der Rückstand. Mit allem Respekt für den Rückstand: Es sollte vielleicht gesagt werden, dass Rückstände niemals den Weg in die augenscheinliche Darstellung darüber finden, wie etwas (ein Objekt, eine Person, ein Zustand, oder ein Seinszustand) entstanden oder zur Existenz gekommen ist. Rückstände sind Anhäufungen von allem, was übrig geblieben ist, nachdem der Wert entzogen wurde…Es gibt keine Geschichte des Rückstands, keine Atlanten des Aufgegebenen, keine Erinnerungen darüber, was eine Person war, aber nicht sein konnte.“ (Raqs: With Respect to Residue, 2005)
Was geschieht, wenn man einen zweiten, genaueren Blick auf die Darstellung von Fortschritt und auf die Schnelllebigkeit unserer Zeit wirft?
Unsere Aufgabe ist es, diese Elemente einer kritischen Neubewertung zu unterziehen. Die Unterbringung einer Teilausstellung von Manifesta 7 in einer aufgegebenen Aluminiumfabrik in Bozen – einem Raum der Verlassenheit und des Rückstands – wirft viele Fragen über das Nach-Leben von Verwertungsprozessen auf. Was bleibt übrig, wenn alles verwertet ist und die Maschinen abgebaut sind? Was kann wieder gewonnen werden und an was kann erinnert werden? Wie kann man Rückstände mit Bedeutung aufladen?
Wir wollen darüber nachdenken, was geschieht, wenn sich Dinge in dieser Welt als wertbehaftet erweisen. Das schließt eine Verlangsamung und die Konzentration der Aufmerksamkeit auf einige Prozesse mit ein, die sonst die Spuren dessen, was zurückgeblieben ist, verwischen könnten. Es handelt es sich hier in gewisser Hinsicht um den Versuch, sich der sich selbst bewahrheitenden Amnesie des Kapitalismus bewusst zu werden und zu sehen, was von jenem Vergessen bewahrt werden kann, dem die Rückstände des Modernismus gemeinhin ausgeliefert sind.
Die Aufgabe auf einem verlassenen Industrieareal ein Netzwerk aus Prozessen und Kunstwerken zu schaffen, scheint uns eine willkommene Gelegenheit zu sein, Künstler einzuladen – und darüber hinaus einige Teilnehmer, die nicht als Künstler arbeiten – um diese Überlegungen auszuweiten und zu vertiefen.
Auch wenn Europa inzwischen für seine in aufgegebenen Industriekomplexen untergebrachte Kunsträume- und Kunstevents bekannt ist, bleibt die Frage, was diese Kombination aus erinnerter industrieller Energie und der aktuelleren Melancholie der Verlassenheit heute bedeutet. In einem gewissen Sinn ist das ein Symptom für Europas fehlende Bereitschaft, sich des eigenen Wegs in das und durch das 21. Jahrhundert bewusst zu werden.
THE REST OF NOW
KÜNSTLER
David Adjaye, Stefano Bernardi, Kristina Braein, Yane Calovski, Candida TV, contemporary culture index, Neil Cummings and Marysia Lewandowska, Harold de Bree, Latifa Echakhch, Marcos Chaves, etoy.CORPORATION, Anna Faroqhi, Ivana Franke, Matthew Fuller, Francesco Gennari, Ranu Ghosh, Rupali Gupte and Prasad Shetty, Anawana Haloba in collaboration with Francesca Grilli, Graham Harwood, Nikolaus Hirsch & Michel Müller, Hiwa K, Emre Hüner, Helen Jilavu, Sanjay Kak, Zilvinas Kempinas, Reinhard Kropf and Siv Helene Stangeland, Anders Krueger, Lawrence Liang, Charles Lim Yi Yong, m-city, Teresa Margolles, Walter Niedermayr, Jorge Otero-Pailos, Martin Pichlmair, Piratbyrån Party (featuring a performance by Jem Noble), Jaime Pitarch, Prof. Bad Trip, Kateřina Šedá, Dayanita Singh, TEUFELSgroup, Meg Stuart, Melati Suryodarmo, Jörgen Svensson, Hansa Thapliyal, Alexander Vaindorf, Judi Werthein, Graham Harwood, Richard Wright, Matsuko Yokokoji,
Darius Ziura
SPECIAL PROJECTS
Hot Desking: Four broadsheets, four cities, four events
A project in collaboration with Konstfack Curator Lab
Hot Desk Paris: J’aime beaucoup ce que vous faites
Hot Desk Istanbul: Muhtelif
Hot Desk Stockholm: Site Magazine
Hot Desk Rome: Nero Magazine
Tabula Rasa: 111 days on a long table
A project by Denis Isaia in conversation with Raqs Media Collective
“The Rest of Now” will be accompanied by a print publication edited by novelist Rana Dasgupta containing texts and images by Irina Aristarkhova, Ursula Biemann, Ingrid Book and Carina Hedén, Espen Sommer Eide, Lakhmi Chand Kohli, Anders Kreuger, Ove Kvavik, J Robert Lennon, Lawrence Liang, Daniel Magnusson, Christien Meindertsma, Naeem Mohaiemen, Jeffrey Schnapp, Ravi Sundaram, Jeet Thayil, Cédric Vincent, and others.


TRIENT

ANSELM FRANKE/HILA PELEG: "THE SOUL (or, Much Trouble in the Transportation of Souls)"

PALAZZO DELLE POSTE, VIA S.S. TRINITA’ 27, I-38100 TRIENT, ITALIEN

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This project proposes to examine today’s Europe not as an expanding geopolitical entity but in regard to the engineering of its psyche or soul. Trento, the city of the historic Council of Trent and of this part of Manifesta 7, provides the immediate background for the project.
As an archeology of reversals between inside and outside, self and other, individual and collective, The Soul follows the historical turning-inwards of the expansionist boundaries of European modernity and suggests that the production, mobilization, and representation of the inner self is a final frontier, a last outside.
Here the soul is not understood or treated as fact but as a cultural object, an allegory for social relations shaped by ideas and techniques of power. Much like the “discovery” of a continent, these techniques have produced and invented an entity they declared to map objectively. And yet this entity, the psyche—if only as the difference between material and immaterial, body and mind, object and subject—has never been entirely contained by positivist science. Its properties (emotion, memory, imagination, fantasy, self-consciousness) remain haunted by its own otherness, a minefield of displacements.
It was in Trento that the catholic doctrine of the relation between the soul and representation was articulated some five hundred years ago. And it was here that the rules for Christian confession were expanded to include purely projective, imaginary deeds and thoughts, thus marking an important step in the construction of the modern European self: the policing and self-policing of the interior.
This history unfolds in the exhibition as a set of miniature museums, which sketch possible, alternative, or incomplete histories of the psyche and the soul. These are study displays that investigate the embodiment of power in its affective and cognitive dimensions, experiment with the tradition of the museum, and bring into focus the paradoxes of a “European normality”, the relation between soul and image, nonphonetic pedagogy, structures of feelings, the logic of desires, psychological personality tests, and the history of antipsychiatry.
Next to this series of speculative museums, The Soul brings together recent and specially commissioned works by over thirty artists working in Europe and elsewhere. Some contributions engage with the site of the exhibition and its regional, political, and historical context. Others take the form of “deep” historical research, confronting the mythical contents of European history with the technologies of power and the power of cultural technologies. The entire exhibition is a search for languages capable of identifying and articulating new forms of exclusion and possibilities for reversing forms of social control.
Anselm Franke/Hila Peleg
THE SOUL
(or, Much Trouble in the Transportation of Souls)
CONTRIBUTORS
Nader Ahriman, Maria Thereza Alves / Jimmie Durham / Michael Taussig, Tamy Ben-Tor, Attila Bruni, Beth Campbell, Fabio Campolongo, Marcus Coates, Peter Coffin, Keren Cytter, Jos De Gruyter / Harald Thys, Massimiliano & Gianluca De Serio, Brigid Doherty, Omer Fast, Peter Friedl, Stefano Graziani, Tom Holert / Claudia Honecker, Karl Holmqvist, Hannah Hurtzig, Joachim Koester, Andree Korpys / Markus Löffler, Kuehn Malvezzi, Daria Martin, Angela Melitopoulos, Xisco Mensua, Valérie Mréjen, Rabih Mroué, Andreas Müller, Sina Najafi / Christopher Turner, Rosalind Nashashibi, Luigi Ontani, Ria Pacquée, Bernd Ribbeck, Pietro Roccasalva, Roee Rosen, Christoph Ruckhäberle, Natascha Sadr Haghighian, Florian Schneider, Eyal Sivan, Josef Strau, Javier Tellez, Althea Thauberger, Anne-Mie Van Kerckhoven, Barbara Visser, Klaus Weber,
Eyal Weizman
Texts in Pubblication:
Franco Berardi, Brigid Doherty, Tom Holert, Maurizio Lazzarato, Eva Meyer, Avi Pitchon, Renata Salecl, Michael Taussig, Anne-Mie Van Kerckhoven, Eyal Weizman, et al.


ROVERETO

ADAM BUDAK: "PRINCIPLE HOPE"

EX PETERLINI, SAVIOLISTRASSE 20 UND MANIFATTURA TABACCHI, P.ZZA MANIFATTURA 1-STAZIONE FERROVIARIA, PIAZZALE ORSI, I-38068 ROVERETO, ITALIEN

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Das von Adam Budaks Kuratorenteam (Nina Möntmann, Tobi Maier, Krist Gruyhuysen, Büro für kognitiven Urbanismus – Christian Teckert und Andreas Spiegel) entwickelte Ausstellungs- (und darüber hinaus) Projekt für Manifesta 7 befasst sich vor allem mit der Darstellung und Analyse von (kultureller und politischer) Raumökologie und deren Öffentlich-keit. So zielt es auf den Entwurf provisorischer (Ausstellungs) Strategien und kritischer (diskursiver) Angebote ab, die in die Richtung eines ANDEREN öffentlichen Raums (oder eines sanften Manifests für einen ANDEREN öffentlichen Raum) weiterführen könnten.
Der Begriff „Kritischer Regionalismus“ (wie er vom Architekturtheoretiker Kenneth Frampton eingeführt wurde) dient als Tafel, auf der die Überprüfung des Althergebrachten und Traditionellen stattfindet und ein erneuertes Vokabular von Trans-lokalität artikuliert wird. Diese Idee, die öffentlichen Raum als einen Platz des Austausches vielfältiger Werte begreift, konzentriert sich auf die Ermittlung des „richtigen Ortes“ für den (öffentlichen) Diskurs zwischen einer Vielzahl von Definitionen und der ungewissen Zeitbestimmtheit öffentlicher Angelegenheiten. Viel steht dabei auf dem Spiel: vom „eigenen“ Raum (Eigentum) über den „legalen“ Raum (Eigentum und Legalität), herunter zum autonomen Raum (Emanzipation) und zur präzisen Darstellung der „Eigenart eines besonderen Ortes“.
Kritischer Regionalismus – „selbstbewusstes lokales Leben“ – dient als Mittel, um Spannungen zwischen Globalisierung und Provinz, Modernität und Tradition aufzulösen und bezeichnet dadurch auch eine Widerstandsform – eine eindeutige Reaktion auf normative universelle Standards, Vorgehensweisen und Formen ebenso wie auf technologische und ökonomische Bedingungen. Das wirft eine Reihe von dringenden Fragen auf, die mit Historismus Nationalromantik, Authentizität und dem Nationalstaat zu tun haben und erschließt ein Feld, auf dem die Formen von (räumlicher, nationaler, singulärer) Zugehörigkeit und Identifikation durch Entfremdung dekonstruiert werden: Kritischer Regionalismus interessiert sich für bestimmte Elemente aus der Region, die als Generatoren von Gemeinschaft und Identität stiftend wirken. Kritischer Regionalismus bindet diese eher auf „absonderliche“ als auf „vertraute“ Art und Weise ein und zerbricht damit – Bewusstsein auslösend – die sentimentale „Umarmung“ von Gebäuden und deren Bewohnern. In Übereinstimmung mit Frampton führt das auf Regionen (als aktive Widerstandszentren) bezogene Denken zur fühlbaren Unmittelbarkeit von Raumerfahrung, zur notwendigen Antwort auf Klima und Topographie, zu einer Verknüpfung von Wirklichkeitssinn und der kulturellen Bedeutung architektonischer Formen und zur Möglichkeit lokale Arbeit und lokales Wissen für architektonische Produktion einzusetzen. Die norditalienische Region Trentino-Alto Adige/Südtirol (als Gastgeber der Manifesta 7) und besonders Rovereto (der bislang kleinste Standort in der Manifesta-Geschichte) und deren postindustrielle Ausstellungsstandorte (Ex-Peterlini und Manifattura Tabacchi) sind Fallstudien im Prozess der Neudefinition der Existenzbedingungen für Tradition im sozialen und kulturellen Umfeld einer scheinbar trüben Aufgliederung zwischen Privat und Öffentlich, die unsicher zwischen dem noch-nicht-bestehenden, autonomen (Post)Politischen, und einer jenseits des Staates sich emanzipierenden Mikrostruktur kommunaler Identität schwankt.
Darüber hinaus betrachtet die Ausstellung die Ethnologie des Raums als methodologischen Bezugspunkt bei der Betrachtung des „nebensächlich“ Lokalen, Konkreten, Kleinen, scheinbar Unbedeutenden und Marginalen innerhalb einer ruinierten Landschaft verschleppter Restrukturierungsprozesse und post-industrieller Transformation. Ernst Blochs Philosophie des Althergebrachten und besonders seine Darstellung der Kleinstadt ergänzen die Vermessung der interregionalen Matrix von Identitätspolitik. Hier erscheint die Kleinstadt als ein Modell, ein Bild, eine primäre Struktur – ein Raum für Mehrdeutigkeit und dialogale Kommunikationsformen, die mit moderner Kultur verknüpft sind; Tradition wird hier als besonderer Geisteszustand definiert, als ein “sich unterscheidender Ort“. In Blochs Philosophie ist die Kleinstadt ein aktives Gebiet, weit entfernt von nostalgischer Sehnsucht und dem Trauma des Aufgegebenen, ein dynamischer Ort, wo Modernität auf ihre eigenen Widersprüche stößt und ihre komplexe Grammatik von physikalischer und geistiger Zugehörigkeit entwickelt. Bloch plädiert für ein offenes Konzept von Wirklichkeit, wo das „Noch-Nicht-sein“ zur Möglichkeit und Hoffnung zum Seinsprinzip wird, zu einer Kraft, die in Richtung einer besseren Zukunft drängt. Hoffnung ist Träumen, aber auch docta spes, ein (nachhaltiger) Wunsch und/oder ein Wunsch nach Nachhaltigkeit. Das Projekt navigiert durch das Dilemma jenes Prinzips, das unser Leben formt und bestimmt, im permanenten Fortschreiten zwischen einer (konkreten) Utopie und dem Versprechen eines realen Zusammentreffens. Wie kann das Noch-Nicht menschlicher (sozialer und politischer) Entwicklung dargestellt, wie kann Hoffnung mitten im Lärm der aggressiven Rhetorik einer (schon) korrumpierten Zukunft ausgemacht werden? Hoffnung ist der geistige Entwurf zeitlicher und räumlicher Bestimmungsgrößen, eine Bewegung in Richtung des Verdeckten und Unbekannten: „ein eingebildeter Entstehungsraum“, ein Agent des Traditionellen. So gesehen ist Hoffnung ein hybrides Konzept, eine Vermittlerin zwischen Theorie und Praxis und die Vertreterin einer (antizipatorischen) Identität.
Ein wichtiges Kapitel des Projekts wird sich auf die Bestandteile und die Widersprüche des Post-Politischen im öffentlichen Raum und dessen kommunales und (möchtegern) demokratisches Rüstzeug konzentrieren. Angesichts der wachsenden Unmöglichkeit sozialer Autonomie auf der einen Seite und des Drangs nach Emanzipation auf der anderen, ist der öffentliche Raum einem mühsamen Prozess von Identitätsverwirrung unterworfen: als „machtlose Struktur“ von Zugangsverboten und (immer noch verführerisches und fruchtbares) Feld von Aktivismus und radikaler Ein-bildung. Übersemantisiert, erscheint öffentlicher Raum als überschätzter Gestus und als Ort des Verfalls, der aber immer noch als Raum von Möglichkeit und des (bedingungslosen) Engagements wirkt: Somit ist öffentlicher Raum ein Machtfeld, in permanenter Spannung zwischen dem Richtigen, der eigenen Stärke und latenter Hinfälligkeit. Das Projekt verhandelt die Legitimität öffentlicher Räume und bietet eine Reise zu Methodologien des Widerstands indem die ein-gebildeten Topographien in Jorge Luis Borges´ „Die kreisförmigen Ruinen“ (eine Mischung aus Schein, Traum und utopischen Wünschen) mit Jacques Rancieres „aktivem Parlament“ (die Suche nach einem Telos von Gemeinschaft auf der Kreuzung zwischen dem Ende der Politik, oder/und realistischer Utopie) kombiniert werden.
Adam Budak
PRINCIPLE HOPE
ARTISTEN
Alterazioni Video, Michelangelo Antonioni, Knut Åsdam, Bernadette Corporation, Margrét H. Blöndal, Michal Budny, BURGHARD, Nina Canell, Libia Castro & Ólafur Ólafsson, Claire Fontaine, Oskar Dawicki, Evelina Deicmane, Rä di Martino, Miklós Erhardt and Little Warsaw, Igor Eskinja, Tim Etchells, fabrics interseason, Famed, Didier Fiuza Faustino, João Maria Gusmão + Pedro Paiva, Heide Hinrichs, Heidrun Holzfeind, Runa Islam, Ricardo Jacinto, Ragnar Kjartansson, Barbora Klímová, Daniel Knorr, Adam Leech, Deborah Ligorio, Miks Mitrevics, Christian Philipp Müller, Ewa Partum, Gianni Pettena, Riccardo Previdi, Philippe Rahm, Pamela Rosenkranz, Janek Simon, Luca Trevisani, Tatiana Trouvé, Uqbar Foundation, Guido van der Werve, Nico Vascellari, Danh Vo, Johannes Vogl, Stephen Willats, ZimmerFrei
featuring:
AUDITORY EPODE curated by Tobi Maier
Florian Hecker
Anna Ostoya
the next ENTERprise
Chris Watson
Zafos Xagoraris
RADIO EPODE @ Rai FM
manifeSTATION curated by the Office for Cognitive Urbanism (Andreas Spiegl, Christian Teckert)
Azra Aksamija
Andreas Duscha
Sonia Leimer
Christian Mayer
Kamen Stoyanov
Adrien Tirtiaux
Anna Witt
MATTER OF FACT curated by Krist Gruijthuijsen
Jeremiah Day
Renzo Martens
Olaf NIcolai
Adam Pendleton
Falke Pisano/ Will Holder
Ricardo Valentim
SOCIAL ART PRAXIS curated by Cornelia Lauf (IUAV, Venice)
Airswap
Aspramente
Publink
PUBLICATION
PRINCIPLE HOPE. DAYDREAMING THE REGION,
co-edited by Adam Budak and Nina Möntmann, with essays by T.J. Demos, Simon Critchley, Bernd Hüppauf, Suzana Milevska, Jochen Becker, Erden Kosova, Alan Colquhoun and Gianni Pettena, conversations between Marco de Michelis and Franco Rella, Mirko Zardini and Gianni Pettena, Nina Möntmann and Ayreen Anastas & Rene Gabri, Judith Butler and Gayatri Chakravorty Spivak, art contributions by Uqbar Foundation and Christian Philipp Müller, as well as introductions by Nina Möntmann and Adam Budak.
Editorial manager: Dan Kidner